Samstag, 16. April 2011

Keine Überschrift möglich*

Indessen funktioniert das Fantreffen im Zug zumindest noch friedlich, im Vergleich zu dem pöbelnden Fußballmob, der sich in der Zugmitte des Metronoms konstituiert. Klar, dass mir beim Aufeinanderprallen zweier Subkulturen gleich die Parallelen bewusst werden.
Von der Qualität der Songauswahl ertrage ich ein „Durch den Monson“ eher, als die diffusen Gesänge der Fußballfans; Wenn sich dafür überhaupt Bewertungsmaßstäbe finden lassen.

„Hat jemand eine Bildzeitung dabei?! [...]“ Nun scheint der Maßstab doch noch gesetzt und ich muss nicht weiter drüber grübeln.
Matze – grüner Schal, bestickt mit dem 96 Fan-Emblem – zeigt sich Hilfsbereit und reicht das Blatt seinem Kumpel. Erste wilde Diskussionen über den dreifachen Kindermörder Martin N., der vom Titelblatt entgegen lächelt, begleiten von einem vierstimmig Kanon („Pippi mach die Beine breit ; Widdewie, Widdewie [...]“). Matze – hin und her gerissen zwischen Kinderschänder und Pippi Langstrumpf – erklimmt neue Tonhöhen und versucht diese mit intensiver Gestik Ausdruck zu verleihen. Seine Bierflasche scheint dabei als eine Art Taktstock zu fungieren. Doch sein kleiner Ausflug ins Reich des dirigieren wird ihm im nächsten Moment zum Verhängnis. Sein ekstatischer Höhepunkt scheint erreicht, als Matze die ihm scheinbar nicht unbekannte Security mit einem Becks übergießt („Matze bist du bescheuert?! […]“) und deswegen auch nicht mehr nach dem Ausweis verlangt wird, sondern direkt über Funk der Name des Fans durch gesagt wird („ […] Das hat 2 Euro gekostet du Arsch!“).
Mittlerweile sind Teile des Mobs zu einem Urteil bezüglich des Zeitungsberichts gekommen („[...]Eier ab!“).
Der nächste Name wird über Funk an die Polizeizentrale durchgegeben, während der Security Kollege – inzwischen umwabert ihn eine leichte Aura aus Bier und Schweiß - dem Metronom-Publikum eine halbstündige Verspätung eröffnet ([…] „Ohhh!“).

Die gemütliche Tokio Hotel Fanrunde wird derweil leicht nervös, weil die um 13 Uhr geplante Eröffnungzeremonie zu scheitern droht. Monatelange Vorbereitungen gingen dieser Zugfahrt voraus. Eine internationale Zusammenkunft von Tokio Hotel Anhängern, ein Ereignis was in den Medien in der so genannten „Nach-Tokio-Hotel-Zeit“,nicht mehr all zu viel Beachtung findet. Der einst für alle noch in Deutschland greifbare Bill Kaulitz hat sein Himmelzelt längst über Halbeuropa & Co. ausgeweitet. Die Zeiten in denen er noch die lokalen Zahnspangen zum strahlen bracht, sind vorbei.
Doch heute soll sich dies – dem vierköpfigen Planungskomitee der Internationale zur Folge – ändern.


[Fortsetzung Folgt]

*Sorry, ich probier grade mit Honigwein heute zu verdrängen. Hirn aussetzen. Überschrift nicht mehr möglich. Sorry, sorry.

Glas hebend,

André

Montag, 24. Januar 2011

Depression durch Kommunikation - Mir geht's gut

Guckt man sich in der S-Bahn von A nach B um ist es tatsächlich so, dass sich zwischen all den schweigenden iPhone-/aus-dem-Fenster-guck-/ und Bücher-Zombies auch Kommunikation ereignet – mehr oder weniger.
Das kann im großen passieren, wie es auch im kleinen zu belauschen ist. Eines ist ihr - der großen und der kleinen - allerdings jedes mal gemein: Es handelt sich um Alltagskommunikation, die Kommunikation im eigentlichen Sinne ausschließt bzw. unterdrückt, aber dazu später mehr.
.
In meinen fünf Jahren als also erfahrener S-Bahnfahrer, habe ich kein Gespräch belauscht, was über die Einkaufsliste bzw. die obligatorische „Wie geht’s dir“-Frage hinaus geht.
Tatsächlich müsste einem - bzw. mir ist es - doch schon anhand dieser einzelnen verbrauchten Aussage – denn mehr ist sie tatsächlich nicht - auffallen, dass eine Kommunikation so nicht statt finden kann.
Die „Wie geht’s dir?“-Frage ist mehr als als jede Andere ein auf sich selbst gerichteter Akt des (Selbst-)Gesprächs – darum ja auch auf mich selbst gerichtet. Ein Monolog. Eine an sich gerichtete Mitteilung: „Mir geht’s gut“. Denn wie im französischem, englischem so ist auch im deutschen bei der Frage nach der Befindlichkeit ein „Gut und dir?“ als entsprechende Antwort garantiert. Genauso wie die reflexartige Gegenantwort „Mir geh't auch gut“.
Es müsste dem ersten Fragesteller also der Logik nach nur die eigene Aussage, dass bei ihm alles tutti sei, um sich, wie manche sagen: selbst zu belügen, interessieren. Dem ist aber nicht so, wie ich im weiteren Verlauf belegen werde. Viel mehr geht es dem Fragesteller darum, in seiner gesamten Person verstanden zu werden.

Das nachdenken über die reine Aussage über die Frage „Wie geht’s dir“ müsste bei jedem Gesprächsanfang schon viel mehr auslösen, würde es sich tatsächlich um Kommunikation handeln. In seiner klarsten Form sagt „Wie geht’s dir“ nichts anderes aus, als dass ich frage, wie „es“ dir/dich grade geht („Wie geht es dich“). Ein „es“ über dem, was also innerhalb unserer Kontrolle liegt bzw. dann nicht mehr. Es kontrolliert dein gehen. Wie kontrolliert es dich? Wie geht es dich? „Es“ als undefinierbares Etwas, was „mir“ die Richtung weist. Wo spaziert „?“ bzw. „es“ dich entlang? Es? Die Umstände? Gott? Dein selbstbestimmtes Ziel, was dich nun abhängig von dir geht? Ist das Ziel tatsächlich noch von dir erfasst? Nicht durch andere Umstände notwendig zum Ziel erklärt? Wie oft wurde dein Ziel schon aufgestellt? Wieso setzten wir uns eigentlich ausgerechnet zu Anfang diesen Fragen aus? Führt es zwangsweise zu Alternativen Anfangsfragen? Wieso überhaupt fragen?

Diese Anfangsfrage „Wie geht’s dir“ bietet so viel Gesprächsstoff, dass sich damit eine ganze S-Bahnfahrt füllen ließe. Stattdessen kommt reflexartig „Gut und dir?“ zurück geschossen und das so wahr, wie ich es hier schreibe: denn der Reflex erschießt tatsächliche eine Vielzahl von Antwortmöglichkeiten, die ich mich hier hüten werden zu benennen, aus Angst neue Magnetantworten zu schaffen, die sich auf Magnetfragen („Wie geht’s dir?“ beziehen.
Dieses Verhältnis findet sich in vielen Gesprächen wieder.

Ein Magnetpol „Wie geht’s dir“ (+) wirkt als Pol für „Gut, und dir?“ (-). Gespräche sind selbstverständlich ,anderes als Naturwissenschaftliche Gesetze, keiner klaren Gesetzmäßigkeit unterworfen. Allerdings scheint es in der Mainstream-Realität anders zu sein. Das heißt nicht, dass sie so sein müsste. Oder dass sie nicht so sein müsste. Denn tatsächlich findet die Kommunikation ja so „Tag ein Tag aus“ statt, ohne, dass wir es wirklich merken. Sie findet also nicht nicht statt.
Diese Sätze sind vielleicht einige dutzend Male gesprochen, geschrieben und reproduziert worden. Niemand fängt plötzlich an, neue Worte zu verwenden, weil Kommunikation tatsächlich darauf abzielt, sich anderen Menschen gegenüber zu verständigen. Vielleicht bin ich auch einfach nicht kreativ genug und rechtfertige mich mit dieser Aussage. Vielleicht sollte ich auch einfach nicht so viel an mir herumreflektieren, um Sicherheit in meinen Text zu legen, damit ich überzeugen kann. Übermittelt das überhaupt Sicherheit? Will ich das überhaupt? Wieso will ich überzeugen? Wieso will ich das hier so schreiben? Werde ich es später entfernen?

Bei Maschinen zum Beispiel ist eine unmissverständliche Antwort (Telefonhotline, Fahrkartenautomat usw.) von funktionierender Wichtigkeit. Die Telefonzelle zu fragen, wie es wohl mit ihrem Wohl beschaffen ist, führt zu keinem Ergebnis, weil sie nur zweckgerichtet Kommunikation aufnehmen kann. Sie braucht also die klare Information (112) und alles darüber hinaus absorbiert sie, wie ein Rohr, was nur begrenzt Inhalt zulässt. Menschen können ihren Zweck in der Kommunikation frei setzen. Es aber auch sein lassen. Ich muss kein Ziel beim Beginn einer Kommunikation haben. Das können wir uns oft genug beweisen, wenn wir betrunken Blödsinn reden. Auf der Arbeit dient Kommunikation der Informationsübertragung so wie der Darstellung eines sozialem Status in den Pausen; Dient dem dickeren Geldbeutel; Weil Chefin auf Soft Skills abfährt; Andere Geschichte (schreib mir doch mal deine Idee dazu).

Menschen leben in Kommunikationsrohren. Ihre Arbeit ist morgens in der S-Bahn, von der ich schon zu Anfang sprach ( falls sie sich überhaupt noch an das erinnern können, was ich da sprach; eigentlich eher schrieb; ich will ihnen nichts unterstellen, aber auf jeden Fall noch mal nachschauen – ich mach das auch gleich noch mal, damit das weitere einen gewissen Sinn behält und ich nicht zu weit abschweife; weiter), mit auf dem selben Platz anwesend, auf dem auch ich und meine Sitznachbarn Platz nehmen.
Tatsächlich ist die Arbeit eine so gedanklich vereinnahmende Tätigkeit, dass die Psyche diesen Zustand nicht auf Dauer verkraften kann. So klebt sie morgens unter anderen auf den selben S-Bahn Plätzen wie am Tag zuvor und wird dort auch beim verlassen der S-Bahn kleben bleiben. Andere Räume (das Ehebett, der Küchentisch) haben ebenfalls diese inkludierte Arbeit. Die versuchen die Arbeit daraufhin zu verweisen. Sie von uns bzw. außerhalb von uns wirken zu lassen.
Wir schaffen uns also einen psychischen Freiraum, in dem wir uns flüchten können, um den Gedankenraum der Arbeit weitest gehend zu schließen bzw. so von uns abzustreifen. In Stücke zu verpacken und dort jeden Morgen doch wieder auf ihn zu stoßen um mit unserem Freiraum gegen ihn anzukämpfen. Dass er uns ja nicht zu nah kommt. Schön platt sitzen.

Der in uns geschaffene Freiraum der dies tut, kann größer und auch kleiner sein und mit allen Gedanken und Emotionen gefüllt werden , die stark genug sind (Familie, Gameboy, FreundIn), um die stressigen Emotionen in Gegenständlichkeit zurück zu drängen.

Mit diesem „Freiraum“ findet nun aber nichts anderes als das wortwörtliche Verdrängen von Arbeit statt.

Mit all unseren Gedanken, richten wir uns gegen den belastenden Gedanken, gleich wieder aufnahmefähig für Namen, Nummern und Anforderungen individuellster Art zu sein. Dieser durch Fluchtgedanken (Familie & Co.) geschaffene Freiraum wirkt wie das Kommunikationsrohr, von dem ich vorhin schon sprach. Es lässt gefilterte Informationen zu und funktioniert nach Zwecken. Nämlich die Emotionen der Arbeit zu vergegenständlichen. Bei jedem Gedanken an die Arbeit zuckt der Freiraum in sich zusammen und weicht der Realität des Arbeitsprozesses der in seiner Rationalität alles vereinnahmend in sich schlingt, bis kein Photon Freiraum mehr zum absorbieren da ist. Dies ist der Übergang in eine Depression an dessen Ende erkannt wird, dass der geschaffene Freiraum tatsächlich seinen Titel unverdient erhielt. Denn ein Raum der sich frei nennt, darf keinem anderen Zweck als der der Freiheit dienlich sein. Einem Selbstzweck.
Tatsächlich ist es aber nur ein psychisches Instrument, um der Arbeitsrealität für einige Zeit zu entgehen. Gedanken der Arbeit beherrschen den totalen Gefühlszustand des einzelnen Menschen. Es passiert nicht selten, dass durch den erzwungenen Freiraum in jedem die Emotionen die dadurch versucht werden verdrängt zu werden, in objektisierten Familienmitgliedern oder Freunden ihren neuen Wirt finden müssen.

Jeder Arbeiter ist je nach Grad und Intensität der Arbeit der Gefahr einer Depression ausgesetzt. Denn die Depression zeigt uns im höchsten Maße nur das an: dass nämlich die Realität in unserer Vorstellung nicht mit der Realität im Äußeren, in unserem Alltag, übereinstimmt. Daraus resultiert, dass wir als Mensch immer weiter gezwungen sind unseren illusionären Freiraum entsagen zu müssen. Uns nur dem Arbeitsprozess mit aller Gedankenkraft zu fügen; Sämtliche andere Gedanken hinderlich sind. Der Moment des resignieren ist nah. Die Depression schlägt in Wut auf sich selbst um. Oder auch in Wut auf alle anderen, die diesen „Freiraum“ zerstörten. Die Verwandlung zum totalen Zombie ist bewerkstelligt. Oder der Kampf in die nächste Runde seinen „Freiraum“ aufrecht zu erhalten beginnt erneut. Familie. Freunde. Party. Pause. Torten. Enkelkinder. Ende.

Also wie war das? Es will sich mit der Frage „Wie geht’s dir“ nicht selbst belügen, in dem er die seinige Antwort doch eigentlich schon vorausahnen müsste? Genau. Sein Zweck ist es nicht die Antwort zu hören. Ich hab den Faden wieder. Die Frage „Wie geht’s dir“ beantworten alle Menschen gleich und schreibt einen einheitlichen Kommunikationsprozess voraus – unterwirft den Gegenüber also schon in ein gewisses Muster der Oberflächlichkeit, was eine Beschäftigung mit tieferen Gefühlen die beide haben von vornherein ausschließt. Das heißt nicht, dass beide Person nicht gerne über das reden würden, was sie beschäftigt. Sie haben im Laufe ihres Arbeiterlebens gelernt, dass nur die sozialen Skills gefragt sind, die halt gefragt sind. Sich auf andere Personen in ihrer vollen individuellen Qualität einzulassen und sich von ihr vereinnahmen zu lassen und sich in die andere Person einzubringen, ist nicht gefragt. Es geht im Alltag jedens nur noch um einen zweckgerichteten Informationsaustausch. Mit diesem letzten Fazit bin ich vielleicht nicht dicht an dem dran, was es aus uns macht: Objekte von immer wiederkehrenden Kommunikationsstrukturen, die wir wie Roboter ausführen, sobald einer anfängt loszuschießen mit seiner ersten Frage. Und wir können gar nicht anders, als zurück zu schießen, aus Angst, verletzt zu werden. Oder? Haben wir Angst? Wir? Ich? :)

Freitag, 14. Januar 2011

Als der Dachs mal traurig war

Kurzgeschichte: Als der Dachs mal traurig war by superbein

Ein wenig anders war dem Dachs, als es sich die Sonne zur Mittagszeit an ihrem höchsten Stand zwischen den Südgipfeln und der hohen Eiche, die mitten auf einer Waldlichtung ihre tiefen Wurzeln geschlagen hatte, ansah. Satt war er und auch geliebt von seiner Frau. Er hatte alles, was das Leben eines Dachses zu eben jenem machte. Seine Brille zurecht rückend wand er sich schweren Schrittes von dem alten Bild ab und beschloss der Kröte vom See seine Lasten zu erzählen. Doch die Kröte konnte den Dachs nicht weiter helfen, denn sie war zu sehr mit ihrem Überleben beschäftigt. Der See musste noch diesen Herbstabend leer gefuttert werden, denn der Winter sollte den Sauerstoff des Wassers vollends entziehen.

Der Dachs atmete tief und hatte dabei das Gefühl, dass nicht nur der See diesen Winter an Sauerstoff mangeln würde. Traurig Zog er zu seinem Freund dem Igel weiter. Die Flusswindungen leiteten ihn vom See aus zum Unterschlupf des frechen Freundes. Mit traurigen Augen blickte der Dachs seinen Freund an und versuchte mit Worten zu zeigen, was ihn so sehr bedrückte. Doch egal was er auch sagte, der Igel konnte nicht aufhören zu lachen. Er lachte und lachte und auch als der Dachs schon längst weiter im Wald versunken war, konnte man noch das Lachen des frechen Freundes schallend wahr nehmen. Von allen Bäumen her schien es dem Dachs durchs Gesicht zu peitschen und endlich, als er den höchsten aller Baumwipfel auf den höchsten aller Berge im tiefsten des Waldes erklommen hatte war der Dachs befreit von allem Geräusch. Nur sein eigener Pulsschlag spendete ihm nun noch Anwesenheit, doch wurde auch dieser immer stiller.

Die Sonne hatte sich ohne Verabschiedung getrennt, doch dem Dachs machte es jetzt nichts mehr aus. So hoch über dem Wald war es von Vorteil nicht all zu weit gucken zu können, denn schwindelfrei war der Dachs nie gewesen. Eine frische Brise vom vergangenen See schwenkte den Baum im Herzschritt des Dachses. Er schloss die Augen und wünschte sich ein Vogel zu sein. Dann wollte er noch wissen wie er hier her gelangen konnte. Dachse auf Bäume sind bekanntlich vom Aussterben bedroht.

Samstag, 1. Januar 2011

Dienstag, 7. Dezember 2010

"Ich würd dir gern so viel mehr sagen..."


"Ich würd dir gern so viel mehr sagen
als ich begreifen kann
als ich jetzt begreife
als ich jetzt weiß

Ich würd dir gern so viel mehr von mir zeigen 
als ich jetzt für mich seh 
als ich jetzt grade für mich bin und sowieso

Bin ich voll kommn in mir versunken 
und kann nicht richtig schwimm'
zu mindestens nicht zu dir hin
Ich würds ja gern tun
doch ich bin viel zu viel für das Wasser und dich 
Und für mich 

Ich würd dir gern mehr so viel mehr mehr sagen
als ich es grade kann
als ich es grade will

Ich würd dir gern so viel mehr zeigen 
und bin doch nur steril 
beliebig und schon morgen wieder ganz anders 

Ich denk ich weiß es und dann weiß ichs schon wieder nur ganz anders
Und plötzlich ist alles nicht mehr schwarz und weiß
wie noch gestern vor dem schlafen

Ich dachte ich begreif es doch es war nicht zu viel
Zu wenig um zu verstehen, was hier grade mit mir passiert
Ich würde es so gern begreifen

Für mich um es dir zu sagen
Um es uns leichter zu machen
Ich würde dir gern mehr viel mehr erzählen
Doch die Wahrheit ist
Die Wahrheit ist
Die Wahrheit ist
Ist die Wahrheit?
Ist die Wahrheit?

Iss die Wahrheit
Iss die Wahrheit 
und versuchs doch einfach mit mir 
zu begreifen

So wie ich bin
Bist du dabei?
Du bist dabei
Wir können gar nicht anders"

Dienstag, 14. September 2010

Jedem seine Freiheit


Heinz sollte nach einem langen Leben heute seinen Tod finden. Zu keiner Sekunde hatte er es an sich vorbei ziehen lassen; Immer intensiv gelebt. Ein positiver alter Mann. Seine Frau liebte ihn. Sie strich sich eine Träne weg, während sie neben seinem Krankenbett stand und ihm seine zitternde Hand hielt. Die treue Seele des Sterbenden funkelte den glasigen Augen seiner liebende Frau entgegen. Mit aller kraft versuchte er noch einmal einen tiefen Luftzug in sich aufzunehmen, dann sprach er seine letzten Worte aus:
„Du weißt alles, Linda." Seine Frau nickte ihm sachte zu. Mit dem Handrücken streichelte sie ihrem Mann über die Wangenknochen. „Wir sind eins, Linda, und wir werden eins sein... immer.“ Linda schluchzte auf. „Ja“, sagte sie nach einer angespannten Pause. „Ich weiß das... Das musst du mir nicht-“ Heinz war war nicht zu Ende mit seinen Worten. Er unterbrach sie: „Ich habe unsere Tochter vergewaltigt, Linda.“ Heinz Augen verschoben sich endgültig nach hinten. Seine nun kraftlose Hand sank auf sein weißes Bettlaken. Lindas Herz fiel mit ihr zu Grunde. Sie stand nicht mehr auf. Alles um sie herum verschwamm in eine Masse aus schwarz und grauen Farbtönen. Sie drehten sich wie Elektronen in einem immerwährenden Kreislauf und wollten nicht mehr vom anziehenden Potential des Atomkerns loskommen. In ihr wurde es sehr heiß. Nur der Krankenhausstuhl bewahrte sie vor einer Ohnmacht. Es schien, als würde das kalte grelle Krankenhauslicht, was den Raum flutete, wie ein Scheinwerfer auf sie gerichtet sein. Schweißperlen vermischten sich mit ihren Tränen. Der kontinuierliche Piepton der Gerätschaften um sie herum, hallte nur Dumpf in ihren Gedanken wieder. Die schreckliche Gewissheit in ihrem Kopf war lauter: Er hatte sie vergewaltigt...

Sie wusste nicht wie lange sie nicht mehr geredet hatte, aber als ihre ersten Worte über die Lippen kamen, war sie zusammen mit noch einer anderen Person in ihrem Wohnzimmer. Die Person machte sich grade daran den Holzscheit im Kamin für ein gemütliches Feuer zurecht zu legen. Wärme durchtränkte Lindas schwachen Körper, als würde sie nach einer langen Narkose wieder zu Bewusstsein kommen. Die grazile Dame merkte ihre Erschlafften Gliedmaßen; Die müden alten Arme; Die hängenden Tränensäcke. Die treue, die sonst immer in ihrem Gesicht lag, wurde von einem sterilem Tain überdeckt. Wie lange hatte sie wohl geweint? Ihr langes weißes Haar war ihr zu einem Zopf gebunden. Linda hasste Zöpfe. Sie fühlte sich dann immer so gefesselt, wenn ihre Haare nicht offen ihren Körper bedeckten.
In ihrem ganzen Leben war sie immer ein freiheitsliebendes Wesen gewesen. Ihr Mutter wollte sie als Kind schlagen und sie war abgehauen. In der Schule wollte sie der Lehrer schlagen und sie war weggelaufen. Auf der Arbeit musste sie 14 Stunden am Stück an der Nähmaschine und zerstochenen Fingern Kleider für den europäischen Markt nähen, bis sie verschwinden wollte. Doch sie war schwanger im sechsten Monat und machte ihren ersten Kompromiss. Sie vergaß einfach ein Stück ihrer Freiheit; Ließ es einfach über sich ergehen und schaffte so zusammen mit ihrem Mann eine sichere Grundlage für ihr erstes Kind. Das war schwer für sie. Frei sein zu können bedeutete für Linda ab diesem Moment, Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen; Sachen zu verdrängen. Trotzdem fühlte sie sich durch diesen Trick immer noch frei; Auch von Zöpfen.
„Mutter?“ Die schemenhafte Gestalt vom Kamin hatte Konturen angenommen. „Jesssika, was ist passiert?“ Die etwas rundliche Brillenträgerin hatte sich vom Kamin weg aufgerichtet und langsam neben ihre Mutter gesetzt. Auch Jessika trug zusammengebundenes Haar, doch schien es bei ihr, als würde sie es immer so tragen. Die Brille und der Hosenanzug ließen sie in diesem Ambiente irgendwie falsch erscheinen. Ihr Ausdruck war matt. Lachfalten gab es nicht. Ihre Gesichtszüge kontrolliert.
„Heinz...“, sagte Jessika endlich. Ihr Stimme zitterte kurz. Jessika schaute für einen Augenblick zu Boden und atmete kaum hörbar einmal tief durch. Dann guckte sie wieder starr wie all die anderen Tage in das Gesicht ihrer Mutter: „Er ist-“ „Ich weiß“, brach Linda den Satz ihrer Tochter ab. Auf einmal wurde der alten Dame bei den Gedanken der vergangenen Ereignisse wieder schwindelig.

„Mutter?“ Der vorher eher steife Gesichtsausdruck der Tochter zeigte erste Spuren von Mitgefühl. Doch auch dieses wenige Menschliche schien eher so, als hätte sie es irgendwann einmal lernen müssen. Keiner hätte sich sonst an diese kalte Persönlichkeit ran gewagt. Alles an Jessika schien auf irgendeine Weise künstlich. So war es in diesem Augenblick nicht verwunderlich, dass die 42 Jahre alte Geschäftsfrau aus Frankfurt nicht wusste, welchen Gesichtsausdruck sie an den Tag legen sollte, als ihre Mutter auf einmal stark anfing zu zittern. Situationen wie diese waren ihr nicht bekannt. „Alles gut, Schatz“, brachte Linda hervor und zog ein leicht gequältes Lächeln hinterher. Doch ihr Zittern wollte nicht aufhören. „Ist es wegen-?“ Linda schüttelte ihren Kopf. „Nein Kind, nein...“ Tränen rannen ihr lautlos die Wangen herunter und überdeckten die Salzspuren der versiegten Tränenflüsse. „Nein, es ist etwas anderes, Linda...“ „Ich verstehe nicht.“ Linda biss sich zuerst leicht, dann immer stärker auf ihre zitternden Lippen, bis sich zu den Tränen erste Blutflüsse bildeten. „Mutter!“ Es war das erste mal, dass Jessika eine ehrliche Emotion zulassen musste. Ihr Augen waren weit aufgerissen. Schnell lief die Tochter in die Küche um der Mutter sogleich mit einem Küchentuch das Blut von der Lippe zu wischen. Linda ließ es geschähen und fing noch während der Behandlung an über das zu reden, was ihr Herz hatte zerbrechen lassen: „Dein Vater hat mir etwas erzählt, bevor er starb.“ Lindas Handbewegungen wurden langsamer, doch sie hörte nicht auf das Blut von ihrer Mutter zu putzen. Ihre Augen waren starr auf das Papiertuch gerichtet. „Jessika...“ Das Blut was Jessika von ihrer Mutter abgewischt hatte war nun auch auf ihrem teuren Hosenanzug geträufelt. Wütend sprang sie auf und lief in die Küche. „Jessika?“ Mit immer noch verärgerten Gesichtsausdruck kam ihre Tochter zurück in das Wohnzimmer. Auf ihrer weißen Bluse hatte sie versucht mit Wasser zu retten was zu retten war. Doch das Blut schien jetzt nur noch intensiver hervorzustechen.

„Er hat dich vergewaltigt.“ Die Zeit vereiste. Alles um sie herum war still. Selbst die Standuhr neben dem Esstisch im hinteren Teil der Stube schien ihr Ticken verlernt zu haben. Bevor das Pendel an der obersten Stelle war, um wieder zurück zu anderen Seite zu Pendeln, begann Jessika abrupt ihren Blick zur Mutter zu lenken. „Ich weiß.“ Jessika war weiß im Gesicht. Lindas Mund ging leicht auf und ein schwaches „aber-“, stolperte ihr über die Lippen.
„Und du weißt es auch. Schon immer.“
Linda riss die Augen weit auf. Mit dieser Antwort hätte sie nicht gerechnet.
„Du weißt es seit ich 7 Jahre alt war. Seit er mich das erste mal in meinem Kinderzimmer oben vergewaltigt hat.“
Jessika hatte sich urplötzlich aufgerichtet.
"Du hast das Blut am nächsten morgen von meinem Fußboden aufgewischt. Du hast bei der Schule angerufen und gesagt, dass ich diesen Morgen krank sei und Ruhe bräuchte!"
Zu ihrer blassen Hautfarbe kam nun eine fast schon schreiende Stimme hinzu, die Jessika zuvor nie so benutzt hatte.
"Du hast dich all die Jahre über immer und immer wieder selbst belogen. Dass Heinz doch nicht anders könne; Dass die Familie doch zusammen halten muss!"
Fast war Jessika über sich selbst erschrocken, als sie nach ihren starken Worten zu ihrer gewohnten Kontrollposition kam:
„Jahre hast du dir unser Leben schön gelogen! Was die Jansens über uns denken, war die wichtiger als das, was-“, Jessika stockte kurz, „-dieser Mensch Tag ein Tag aus mit mir getan hatte!“
Linda schüttelte ihren Kopf. „Nein...“

In Lindas Gesicht schien es zu arbeiten. Von außen betrachtet hätte man sagen können, dass ein Bildhauer am Werke war, einen alten Gesichtsausdruck mit Hammer und Meißel aus der kalkweißen Statur abzuschaben, um einen neuen zu hinein zuprägen. Als der Bildhauer sich entschieden hatte, wie Linda nun aussehen sollte, wusste ihre Tochter schon, was als nächstes kommen würde: „Wie kannst du es wagen so über unseren Vater zu reden! Er ist doch grade erst gestorben! Was du dir da raus nimmst!“

In Sekundenbruchteilen hatte sich Lindas Körperhaltung von einer in sich gezogenen alten Dame zu einer imposanten Größe aufgerichtet, die sich wütend gegen ihre Tochter stellte. Sie schrie ihrer Tochter einer schrillen Art und Weise entgegen, dass es das ganze Wohnzimmer umfasste und selbst das Kaminfeuer hätte erlöschen lassen, hätte die Tochter es angezündet. Nachdem der Nachhall verklungen war, nickte Linda kurz. Es war ihr verständiges Nicken, welches sie aufsätze. Noch einmal senkte Jessika ihren Blick kurz zu Boden, dann setzte sie sich wieder neben ihre Mutter und hielt ihre Hand.

Mittwoch, 8. September 2010

1,99


Er tat es so, wie jeden Morgen: die Zahnpastatube bis zum Rand hin ausquätschen, Radio neben dem Waschebecken lauter drehen und dann schön kreisende Bewegungen – links und rechts – zu einem Rock'n'Roll-Everygreen aus den Siebzigern. Auf den Boden kleckerte die Zahnpasta, während er in Richtung Küche torkelte, um die Kaffeemaschine zu bedienen. Das Fenster ist weit aufgerissen – ihm wehte eine frische Brise Morgenluft um seinen dürren Körper und schlängelt sich hin zu den Fußknöcheln herab. Er schüttelte ein paar mal am Kabel, bis der Wackelkontakt nachgab und der Strom in die Maschine floss. Den Rest Zahnpasta im Mund spuckte er in die Spüle, über das dreckige Geschirr von gestern Abend. Dies war das einzige was verriet, dass dies kein gewöhnlicher Morgen wie jeder andere für ihn war. Norman aß abends nie. Er war strenger Weintrinker. Ein Weintrinker trank abends ein Glas Wein. Das war das Gesetz, von Norman. Norman belog sich selbst. Das tat er, weil er kein Geld hat.
Letzten Abend hatte er sich zu seiner Flasche Bordeaux zwei Portionen Pommes mit Mayo gekauft. Mayo hätte er nie gegessen. Er hat es für die Frau, die ihm gegenüber gesessen hatte getan. Am Küchentisch hatte er hin und wieder schüchtern zu ihr rübergeblickt. Er war sehr nervös und traute sich kaum ein Wort zu sprechen. Noch nie vorher hatte Norman neben seiner Weinflasche zwei Portionen Pommes mit Mayo und eine halbwegs attraktive Frau ihm gegenüber sitzend gehabt. Die Frau hatte die erste Weinflasche zwar schon ausgetrunken, bevor die Pommes im Backofen 5 Minuten gebraten waren, doch immerhin war sie so lange geblieben.

Die meiste Zeit hatten sich Norman und die Frau vom Kiosk an geschwiegen. Sie hatte ein paar Speckfalten und ihr Arsch hatte nicht die Größe, die Norman für eine Idealgröße hielt. Doch alles in allem war Norman recht zufrieden mit seinem Fang. Er begutachtete aufmerksam, wie sie mit ihren großen Fingern nach den Pommes griff und dabei ein wenig Speichel um die wenigen restlichen auf ihrem Teller verteilte. Ihre Augen waren wie die eines kleinen hungrigen Waschbären, auf die Nahrung gerichtet.
Der Café war an diesem besonderen Morgen köstlich. Norman setzte sich mit dem Café hin. Die Zahnbürste tat er in die leere Weinflasche. Schmunzelnd schaute er sie an. Die Weinflasche hatte ihn 1,99 gekostet und ihm so viel gegeben, wie keine andere zuvor. Hätte er diese Weinflasche nicht gekauft, hätte er sie nie kennen gelernt. Sie hatte schon gut einen weg gehabt – am Kiosk. Sie streichelte sich an ihrem Busen als Norman die Weinflasche bezahlte. Dann streichelte sie Normans Hand. Nur ganz leicht, als wäre es ein Versehen. Norman schielte schüchtern zu ihr hin. Ihre Haare waren ranzig und ungleichmäßig lang. Auf der rechten Seite ihrer Lippen ragte ein großer Pickel in die Außenwelt und schrie nach Unterdrückung. Norman ergriff die Gelegenheit und küsste die Vollbusige, nachdem er dem Kioskbesitzer die 1,99 auf den Tisch gelegt hatte. Es war ein kurzer aber guter Kuss. Ohne weitere Worte hatte sie sich ihm gefügt und war mit ihm in sein kleines Wohnungchen gefolgt. Schön war es hier. Alles ein wenig eng. Ein Stube und eine Küche. Nur die Küche war im Winter beheizt und die Kerzen boten Licht. Die Pommes waren im Kiosk teuer gewesen, doch Norman wollte sich anstrengen.

Nach den Pommes holte sie Norman einen runter und trank dabei noch mehr Wein. Das war Norman recht so. Es war die Flasche in seinem Schlafzimmer, die er hinter seinem Kopfkissen für traurige Tage, an denen er nicht mehr aus den Bett kriechen mochte, hatte. Sie trank daraus und tat alles, wie es es ihm beliebte. Er hatte nie darüber nachgedacht, dass seine Trauerflasche auch für solch ein Moment gut aufgehoben war. Ungewöhnliche Situation erfordern halt ungewöhnliche Maßnahmen, dachte er sich kichernd. Hin und wieder sagte Norman, dass sie gut sei. Jaha – das gefiel ihm. Später war sie weg und Norman lag glücklich in seinem Bett. Die Hände waren links und rechts von seinem nackten Körper ausgestreckt und er hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck. Dann schlief Norman ein und Putzte sich, wie gesagt die Zähne, als er am nächsten Tag erwachte. Kichernd überlegte Norman, was wohl passieren würde, wenn er den Menschen im Kiosk heute Abend erzählen würde, was er gestern getan hatte. Norman haute lachend mit der Faust auf den Küchentisch, was die Weinflasche mit der Zahnbürste umfallen ließ. Was solls, dachte der Norman. Für 1,99 bekomme ich schon eine neue Zahnbürste und einen guten Fick dazu. Norman kicherte erneut in sich hinein.